Ich begrüße die üblichen Leute an der Theke, dann gehe ich zurück zu Basti; er muss reden. „Was ist los mit dir?“ Er steht ein paar Meter weiter, schon gut dreissig Zentimeter an der Heizung nach unten gerutscht, an der er lehnt und guckt unbestimmt in den Raum.
„Bin wieder Single.“, nuschelt Basti. Er spricht leise und undeutlich und meidet meinen Blick. Dann schaut er mich direkt und herausfordernd an. Ich gestikuliere, er möge fortfahren. Basti seufzt, schiebt sich ein wenig an der Heizung nach oben, trinkt einen Schluck aus seiner Becksflasche.
Sonia hat sich von ihm getrennt, vor zwei Wochen schon, direkt nach dem Urlaub, sowie sie wieder zu Hause war. Basti hatte sie eingeladen, sie hatte ihre beiden Kinder bei deren Vätern geparkt. Basti befand das für ein sehr gutes Zeichen, sie ging ganz offen mit ihrer Beziehung um. Vorher hatte er sie mit auf Ausstellungen und Künstlerparties mitgenommen, ihre Leute sah er eigentlich nie.
Aber dann hat sie sich von ihm getrennt, gleich nach dem Urlaub. „Basti“, hat sie gesagt, „wir hatten eine schöne Zeit, aber ich brauche mehr, als du mir bieten kannst. Du weißt, in welchen Kreisen ich unterwegs war, das ist dann doch etwas anderes als deine Künstler. Ich will mir nicht immer Sorgen machen, ich brauche einen gewissen Luxus, und du kannst ihn mir nicht geben.“
„Oha.“ sage ich, als Basti absetzt und still bleibt. Ich teile seine Begeisterung für Sonia nicht. Sonia ist ein paar Jahre älter als Basti, der schon ein paar Jahre älter ist als ich, aber darum geht’s nicht. Als er sie das erste Mal mitgebracht und allen vorgestellt hat, hat sie nur unbestimmt in unsere Runde geschaut, und uns den Rest des Abends komplett ignoriert. Sie unterhielt sich nur mit Pascal, dem die Bar gehört, und das Haus, in dem die Bar ist, und noch ein anderes Haus in der Straße (so hat Basti ihn vorgestellt, über unseren Besitz gab‘s einfach nichts zu sagen). Uns arme Taugenichtse schaute sie mit dem Arsch nicht an, und dann musste sie früh zu Bett — das schulde sie ihrer Haut. Jetzt schaute sie uns, an der Theke lehnend, rauchend, trinkend und Blödsinn redend, doch länger an. Als Basti und sie weg waren, wurde sie selbstverständlich in der Luft zerrissen, selbst Pascal ließ sich dazu hinreißen, sie ’nicht so passend für den Basti‘ zu finden, ließ aber offen, ob das heißen sollte, dass sie über oder unter dessen Niveau sei. Klar, sie hatte sich für ihn interessiert, sie konnte nicht ganz falsch sein. Naja, und Basti mag Sonia wohl wirklich, und es muss ihm ja nicht schlecht gehen, wenn’s sich vermeiden lässt. Darum schiebe ich noch „Tut mir leid“ nach.
Basti hat sich gesammelt und will weiter erzählen. Er trägt dazu einen Gesichtsausdruck vollständiger Resignation und ist in seine ursprüngliche Position unterhalb der Mitte der Heizung zurückgerutscht, aber er spricht wieder. Nach ihrer Erklärung hat er überlegt, was er ihr bieten kann, weil sie ja prinzipiell recht hat: Er besitzt nicht viel, sein Einkommen aus der Kunst schwankt, seine Bekanntheit auch, und dabei hat sie ihn sogar auf seinem bisherigen Höhepunkt, der Aufmerksamkeit für die Typotaschen, kennengelernt. Er hat überlegt, ob er ihr die Mieteinnahmen aus der zweiten Wohnung anbieten soll. Bislang sind die Einnahmen aus der Vermietung an Feriengäste so eine Art Altersvorsorge, oder Sparbuch für ihn, irgendwann lief es auch mal so miserabel mit der Kunst, dass die Miete auch einfach seine Fixkosten decken musste, ist aber vorbei, ist deutlich besser geworden, nur extra Sprünge gehen weiterhin nur mit diesen Einnahmen. So wie der Urlaub, zu dem er sie eingeladen hatte, und nach dem sie sich von ihm getrennt hat. Jedenfalls könnte er ihr das Geld geben, und dann hätte sie’s etwas leichter.
Ich starre Basti an. Ich bin etwas verwirrt, und außerdem sauer. Wieder so ein Rehlein, das beschützt werden muss. Dabei ist sie doch ganz supertoll, der ganz große Wurf, war früher kurz Topmodel, richtig gut befreundet mit Stephanie und Peter (wir haben von Basti all die wirklich wichtigen Details erfahren …), die wird sich doch wohl selbst dann wenigstens gerade so eben selbst versorgen können wie ich auch? Meistens. Und wenn ich’s mal nicht hinkriege, hat das bislang auch noch kein Mann bemerkt. Aber darum geht’s ja nicht. Sonia jedenfalls ist supertoll und hat diesen Schutzreflex trotzdem ausgelöst. (Irgendwann später mal wird mir klar, dass sie so großartig ist, eben weil man ihr helfen möchte, und kann.)
Aber sie hat Bastis Angebot abgelehnt. Sie hat zwar gefragt, wie hoch die Summe wohl etwa wäre, eines der ganz wenigen Dinge, die sie in dem Gespräch zu ihm sagte, aber darum ging es wohl gar nicht, sagt er, sie hat schließlich abgelehnt, das sei schon fair von ihr. Danach war einige Tage Funktstille, war ja alles gesagt. Aber Basti hat trotzdem hin und her überlegt, was er ihr bieten kann, was sie von keinem anderem bekommen kann. Ihm ist aufgefallen, dass er schon nicht der reichste ist, aber er wäre bedingungslos für sie da, wenn sie ihn lässt. Das müsste doch das sein, worum es am Ende des Tages geht? Also plante er, rechnete, und formulierte, bat um ein Treffen, und brachte einen riesigen Strauß Rosen mit, ‘ganz klassisch’ nennt er das. Sie trafen sich in einem Café, in dem sie vorher nie waren, ihr Vorschlag, er schätzt den ‘neutralen Boden’, ich bin denke mir, sie wollte sich nicht einen ihrer Läden verderben. Gewiss hat Basti recht.
Er begann seine Erklärung damit, dass sie eine wundervolle Frau sei, die tollste, die ihm je begegnet wäre. Aber sie sei eben auch nicht mehr die Jüngste.
Ihm mache das nichts aus, aber wie das wohl die reichen Typen sehen? Die könnten ihr jetzt mehr bieten als er, das sei richtig, aber was dann wohl später von denen zu erwarten sei? Ein teures Heim, ob das schon ihre ganze Wunschvorstellung für die Zukunft sei? Er, Basti, hingegen, er würde sie selbst pflegen, sie waschen, sie füttern, ihren Rollstuhl schieben, ihre Windeln wechseln, wenn’s nötig sein sollte, und sie dabei noch immer lieben, wäre bei ihr jeden Tag und wäre für sie da, da käme ihnen doch der Altersunterschied zupass.
Ich müsste jetzt eigentlich sehr lachen. Basti hat dieses unschlagbare Angebot einer Frau Anfang Vierzig gemacht, einem ehemaligen Model. Die sich von ihm getrennt hat, um doch noch einen reichen Typen aufzutreiben, und die er vermisst. Ich lache nicht.
Basti fährt fort: Sie ist dann sehr ruhig geworden, hat ihm für sein Angebot gedankt, für die Rosen aber nicht, und musste dann gehen. Ihm ist klar, dass es das jetzt wirklich war mit Sonia, dass sie seinen Joker abgelehnt hat.
Später auf dem Nachhauseweg kichere ich vor mich hin, es macht mir heute nicht mal besonders viel aus, dass Pascal mich mit den Worten „Reicht für heute, Hasi.“ gedrückt und vor die Tür geschoben hat.