Nachdem ich die 100. in meine Tabelle übertragen hatte, habe ich aufgehört, die zu führen. Jetzt müssen wir alle mit meiner Schätzung leben. Das ist die Antwort auf meine etwa 140. Bewerbung:
![Screenshot einer automatisierten Mail, die ich auf eine Bewerbung erhalten habe. Text: Convact C Das Recruiting Team Hallo Ulrike,vielen Dank für deine Bewerbung für die Position:SEO Manager (m/w/d) mit Agentur-Erfahrung gesucht! [100% Homeoffice] Derzeit screenen wir alle eingegangenen Unterlagen.Sollte dein Profil unseren Anforderungen entsprechen, werden wir bzgl. der nächsten Schritte auf dich zukommen.Wir bitten dich also um etwas Geduld und werden dich schnellstmöglich wieder kontaktieren! Mit den besten Grüssen C.](https://rikes.design/wp-content/uploads/2025/05/screenshot-2025-05-26-140448-300x227.png)
Screenshot einer automatisierten Mail auf eine Bewerbung
Und hier steht jetzt endlich auch mal, was mittlerweile wohl der übliche Ablauf nach einer Bewerbung ist:
Sollte dein Profil unseren Anforderungen entsprechen, werden wir uns bzgl. der nächsten Schritte auf dich zukommen.
Das fasst wohl realistisch zusammen, warum ich von der Hälfte der Unternehmen und Institutionen, bei denen ich mich beworben habe, nie wieder was gehört habe. Dieses Verhalten, verantwortliche Personalabteilung, ist respektlos. Ihr sucht Mitarbeitende? Nehmt am gesamten Bewerbungsprozess teil und fordert nicht einseitiges Vortanzen.
Nach etwa 130 versandten Bewerbungen habe ich von Stepstone eine Servicemail erhalten, warum Unternehmen mich auf meine Bewerbungen hin nicht kontaktieren. Das war natürlich eine Variation ihres Newsletters und keine Mail an mich persönlich. Eine Frechheit ist es aber obendrein: Stepstone hat genug Daten von mir, um zu ermitteln, in welchem Bereich ich mich für welche Art Stellen bewerbe. Aber klar, hypothetisch könnte es auch daran liegen, dass ich fehlerbesetzte Anschreiben versende, meine Unterlagen unvollständig sind, ich generisch statt bezugnehmend auf die Stelle schreibe. Was man als Stellenportal aber auch in den Raum stellen könnte: Viele Unternehmen und auch öffentliche Einrichtungen haben ein bestenfalls ausbaufähiges Bewerbungsmanagement. Bei vielen stellt sich aber die Frage: Was ausbauen?
Für eine Bewerbung investiere ich zwischen 30 Minuten (ich recherchiere quer, ob es passen könnte, AG ist mit einem Lebenslauf zufrieden) und fünf Tagen (ich habe recherchiert, wir würden uns richtig gut ergänzen, AG verlangt das komplette Paket mit Zeugnissen, Lebenslauf und individuellem Motivationsschreiben). Aber von der Seite, die diese Bewerbung mit ihrer Stellenausschreibung motiviert hat, nicht mal eine automatisierte Nachricht an all jene, die ihr nicht kennenlernen wollt?
Ich weiß nicht, was Personalabteilungen 2025 tun. Bei einem früheren AG habe ich mehr von HR mitbekommen als gut für mich war. Mittlerweile habt ihr anscheinend euer Hühnerknochen-Wurfsystem auf die KI übertragen und fühlt euch technologisch in eurem Unvermögen bestätigt.
Statt die KI wertschätzende und angemessen terminierte Rückmeldungen und auch Absagen koordinieren zu lassen, setzt ihr sie ein, um nach Alter und Familienmitgliedern zu sortieren? Die Arbeitsagentur sagt mir, ich muss doch nichts davon in meiner Bewerbung aufnehmen. Na klar, jahrelange unkommentierte Lücken statt Elternzeiten bleiben sicher ebenso unentdeckt wie der Rückschluss, dass jemand mit Diplom wohl älter ist als die Bachelorjahrgänge.
Dazu noch die Lowlights:
Stadt, Land, Ministerien bieten besonders gern prekäre Arbeitsverträge an. Die Jahresverträge sind da seit langem Standard. Ich habe noch ein Konstrukt der 70-Tage-Basis ohne Sozialversicherung aufgetan. Man sollte meinen, ihr arbeitet da Hand in Hand: Wohlwissend, dass eure Jobnachbarschaft soziale Absicherungen abbaut, bietet gerade ihr Verträge, die diese nicht mal mehr sichern obwohl man arbeitet. Da beschwer sich noch jemand, die linke Hand wüsste nicht, was die rechte tut.
Öffentliche Stellen, also die, denen man nachsagt, sie würden nur Dienst nach Vorschrift machen und jedes Engagement missen lassen, melden sich mit weitem Abstand am häufigsten nie wieder nach der automatisierten Eingangsbestätigung. Hätte ich mein Studium so bestritten und euch Unterlagen mal eingereicht, und mal nicht, hätte ich noch immer keinen Abschluss, mit dem ich mich heute bei euch bewerben könnte. Aber ihr könnt mich auf der Grundlage ghosten. Es hat ja auch keine Konsequenzen für euch.
tbc
Da zähle ich auf euch.
Teil 2 von vielen